Mittwoch, 21. Oktober 2015

»Vielleicht ist es ganz gut, dass immer weniger Menschen Zeitungen lesen«

»Vielleicht ist es ganz gut, dass immer weniger Menschen Zeitungen lesen«

Markus Gärtner

Das bedrückende Zitat in der Überschrift stammt von Jakob Augstein. Und er hat, wenn man die neuesten IVW-Zahlen für die deutschen Magazine liest, ausnahmsweise einmal Recht. Aber nur mit dem zweiten Teil seiner Feststellung. Denn gut kann es nicht sein, wenn Massenmedien einen solchen Bedeutungsverlust erleben. Denn das zeugt von einem zusätzlichen Demokratieverlust. Und das ist beklagenswert. Wie gut, dass es eine wachsende Gegenöffentlichkeit im digitalen Nachrichten-Universum gibt.

Ansonsten: Volle Fahrt in den Abgrund. Die Kernschmelze der Massenmedien beschleunigt sich noch. Laut der jüngsten IVW-Blitz-Analyse fallen die Auflagen-Verluste der Magazine drastischer aus als je zuvor. Es gibt unter den 50 führenden Titeln für das dritte Quartal im Vorjahresvergleich nur sieben, die zulegen können. Im Rest des Blätterwaldes geht es steil bergab.

Die neuen Auflagenzahlen der IVW belegen das. Insgesamt weisen 369 Blätter, für die es die nötigen Vergleichszahlen gibt, einen Auflagen-Verlust aus.

Zählt man Abos und Einzelverkauf, dann findet sich unter den 20 führenden Titeln mit nur TV plus ein einziger, der im dritten Quartal im Vergleich zum Vorjahr zulegen kann. Aber auch da beträgt der Zuwachs nur magere 1,2 Prozent.

Da die führenden Positionen in der Rangliste fast ausschließlich von TV-Magazinen besetzt werden, darf hier getrost der Schluss gezogen werden, dass der Informationsbedarf für TV-Angebote rasant abnimmt. Das zwangsfinanzierte Gebührenfernsehen sieht sich wie die Presse einer Völkerwanderung gegenüber. Das Publikum stimmt mit den Füßen ab und flüchtet zu alternativen Angeboten im Internet.

Die IVW-Zahlen sind triefend rot. Unter den 25 führenden Titeln verlieren 16 jeweils mehr als fünf Prozent ihrer Abo- und Kiosk-Kunden. Beim Spiegel, der den Deutschen ungesunde Anwandlungen unterstellt und aus einer massiven Anti-TTIP-Demo in Berlin mit Gewerkschaften und SPD-Anhängern ein braunes Bündnis macht, beträgt das Minus 5,5 Prozent.

Der Stern verliert mit minus 8,6 Prozent nahezu jeden zehnten Leser. Der Focus, der sich unter den Massenblättern durch eine populistische Wende in der Berichterstattung über den Flüchtlingsstrom auszeichnet, kann den Schwund wenigstens auf drei Prozent begrenzen. – Ein Bild der Traurigkeit und des Versagens.

Denn die Leser laufen davon, weil sie für die gedruckten Angebote kein Geld mehr hinlegen wollen, oder anderswo – im Internet zum Beispiel – bessere Informationen finden.

Was die überregionalen Tageszeitungen angeht, da werden vor allem die Welt, die Bild und die F.A.Z. deutlich abgestraft. Der Bild lief mit minus 10,2 Prozent mehr als jeder zehnte Leser in Abo und Einzelverkauf davon.

Die Welt verzeichnet inklusive Welt Kompakt bei Abo und Einzelverkauf einen Einbruch von 14,5 Prozent. Bei diesem Tempo ist das Verfallsdatum irgendwo am Ende des Jahrzehnts. Der Zeitung gingen allein mehr als 10 000 Abonnenten verloren. Bei der FAZ waren es noch 1 000 mehr. Der Gesamtverkauf bricht 13,4 Prozent ein.





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