Mittwoch, 28. Oktober 2015

Bauen für Flüchtlinge: Jetzt kommt, worum sich Politiker lange gedrückt haben

Bauen für Flüchtlinge: Jetzt kommt, worum sich Politiker lange gedrückt haben

Markus Gärtner

Jahrelang wurde uns von der politischen Kaste erklärt, ein großes Bauprogramm zur Linderung der Wohnungsnot in den Ballungszentren sei zu teuer. Trotz der 380 000 Obdachlosen in Deutschland wurde auf Marktkräfte verwiesen. Um nicht noch mehr Menschen aus dem Wohnungsmarkt zu vertreiben, wurde die Mietpreisbremse eingeführt.

Doch jetzt gibt es eine Beschlussvorlage für die Bauministerkonferenz Ende der Woche, die der FAZ vorliegt. Dort werden laut der Zeitung von Steuererleichterungen über die verzögerte Einführung von Energiespar-Verordnungen bis hin zur Entrümpelung des komplexen Baurechts plötzlich viele flexible Maßnahmen vorgesehen, um eine dramatische Verschärfung der ohnehin herrschenden Wohnungsknappheit zu vermeiden.
Schnell und günstig soll es sein. Die Priorität soll auf erschwinglichem Wohnraum liegen. Erste Schritte hat es ja schon vor diesem Papier für die Bauminister gegeben. Mit der Reform des Asylrechts, die nur ein paar Tage alt ist, wurden bereits die Baustandards gesenkt.

Doch in den kommenden Wochen und Monaten ergießt sich der Asyl- und Flüchtlingsstrom von den Notunterkünften ins Land. Es wird eine gnadenlose Konkurrenz um die wenigen verbliebenen Mietwohnungen geben, die noch erschwinglich sind.

Damit beginnt für Bund und Länder ein Wettlauf, der kaum zu gewinnen ist. Das Tempo wird entscheidend sein. Und dafür werden einige bereits verabschiedete Standards auf Eis gelegt. Auf dem Spiel steht unter anderem die nächste Stufe der Energie-Einspar-Verordnung (Enev), die offenbar für drei Jahre ausgesetzt werden soll.

Doch der Staat stößt mit dem geplanten Bauprogramm für die Flüchtlinge an harte physikalische Grenzen. Nicht nur der Faktor Zeit ist problematisch. Auch das Geld. Weil die öffentliche Hand allein ein so massives Programm – Wohnraum für 500 000 Menschen pro Jahr – nicht alleine stemmen kann, müssen auch private Investoren helfen.

Doch die brauchen Anreize wie steuerliche Erleichterungen. Und die drosseln das Steueraufkommen. Hinzu kommt ein anderer Aspekt: Weil die Integration von Migranten eine hohe Priorität hat, werden viele der neuen Wohnsiedlungen neben oder in die Nähe von bestehenden Nachbarschaften gebaut. Ob dann Investoren sich von der Aussicht auf steigende Preise leiten lassen, ist fraglich.

Die chronische Wohnungsnot in Deutschland hat sich in den vergangenen Jahren auch immer stärker in mittelgroßen und kleineren Städten breitgemacht. Und der Markt für neue Wohnungen ist geografisch ungleich verteilt. Eine Untersuchung des Instituts der Deutschen Wirtschaft hat kürzlich zutage gefördert, dass die Bautätigkeit in Deutschland seit 2010 zwar kräftig zugenommen hat, doch der Abstand zwischen Neubauten und Nachfrage habe vielerorts trotzdem zugenommen.

Ein wichtiger Faktor, der gerne übersehen wird, ist, dass viele Senioren lange Zeit an ihren Wohnungen festhalten, bevor sie sich für betreutes Wohnen oder ein Altenheim entscheiden. Da die Lebenserwartung in den vergangenen Jahrzehnten zugenommen hat, ist der Umschlag anWohnungen gesunken.

Lange Zeit hat das die Bauminister so wenig interessiert wie die Tatsache, dass für immer mehr Menschen der Wohnraum unerschwinglich wurde. Es war bequem, das Problem dem Markt zu überlassen, sprich die Preise trotz stagnierender Reallöhne steigen zu lassen.

Jetzt geht das nicht mehr. Und weil der Markt mit dem massiven Zustrom von Migranten völlig überfordert wird, steht ein scharfer Verteilungskampf um die knappen Wohnungen an. Er wird die Integration der Migranten nicht erleichtern. Aber, wie Angela Merkel stets versichert: »Wir schaffen das.«






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