Aus für Merkel vor Weihnachten? Die Rebellion kommt aus dem Südwesten
Markus Gärtner
Kurz vor dem nächsten Gipfeltreffen der Parteichefs Gabriel, Merkel und Seehofer am Donnerstag steht die SPD unter Druck, sich auf einen Kompromiss mit der Union über die geforderten Transitzonen einzulassen. Aber egal, wie diese dann heißen oder gestrickt sein werden: Selbst wenn es zu einer Einigung kommt, wächst der Druck auf die Bundeskanzlerin. Ihre Machtbasis in der Partei bröckelt. Im Volk rumort es. Die Umfragen sind schlecht. Die CSU bereitet eine Klage vor. Es wird eine Lösung der Flüchtlingskrise ohne Merkel gesucht.

Ausgangsort der anstehenden Revolte wird der zweitgrößte Landesverband der CDU sein. Denn in Baden-Württemberg wird am 13. März 2016 die nächste Landtagswahl stattfinden. Die CDU hat nur dann eine Chance, wieder den Ministerpräsidenten zu stellen, wenn sie der Führungs- und Konzeptlosigkeit in Berlin ein Ende bereitet.
Von 1953 bis 2011 hatten die Konservativen im Südwesten den Ministerpräsidenten gestellt. Dann wurden sie bei der letzten Wahl heftig von den Wählern abgewatscht. »Alles nur eine Delle, die CDU kommt wieder an die Regierung«, sagten viele.
Doch dieser politische Rebound ist höchst fraglich, wenn die Flüchtlingskrise über den Jahreswechsel anhält. Denn die Union und Merkel sind im Umfragetief.
Und vier von fünf Bürgern im Ländle halten das Thema Flüchtlinge für das derzeit wichtigste. Sie werden die CDU wieder auf die Oppositionsbank schicken, wenn das von Merkel angerichtete Chaos anhält.
Insider wie Willy Wimmer können sich daher vorstellen, dass die CDU in Baden-Württemberg noch vor Weihnachten die Reißleine zieht und offen revoltiert. Während Seehofer in Bayern Ultimaten
stellt – und dann verstreichen lässt –, bahnt sich die wahre Meuterei in Baden-Württemberg an.

Dieser brisante Befund wird von den Spekulationen, ob es an diesem Donnerstag in der Großen Koalition zu einem Transitzonen-Kompromiss kommt, überlagert.
Selbst wenn die grenznahen Aufnahmelager eingerichtet werden, können sie den Zustrom von 10.000 Kriegsflüchtlingen, Wirtschaftsmigranten und Scheinasylanten pro Tag nicht signifikant drosseln, jedenfalls nicht bevor bei den Konservativen in Baden-Württemberg die Geduldsschnur reißt.
Deren auffallende Zurückhaltung, ja Stille, spricht Bände. Das einzige Indiz für den drohenden parteiinternen Aufstand war vor knapp zwei Wochen die nach draußen gesickerte Äußerung des aus Baden-Württemberg stammenden Finanzministers Wolfgang Schäuble, die Stimmung an der Parteibasis sei »dramatisch schlecht«.

Auch außerhalb der CDU – besonders in der CSU – wird man Merkel nicht nachweinen.
Die SPD kann mit ihr nicht mehr viel anfangen, weil sie bei der Einigung mit Seehofer gezeigt hat, dass sie die Einheit von CDU/CSU allen vernünftigen Regelungen vorzieht, wie es Insider in der CDU, die nicht genannt werden wollen, ausdrücken. Mehr noch: Wenn die SPD am Donnerstag einem Kompromiss mit der Union zustimmt, ist der Ball automatisch wieder bei Merkel.
Wenn der Flüchtlingsstrom dann nicht schnell abreißt, was nicht zu erwarten ist – weil viele Flüchtlinge vor Wintereinbruch und Schneefall noch schnell Deutschland erreichen wollen –, muss
Merkel endlich über eine Obergrenze bei der Migration mit sich reden lassen.

Tut sie das, ist ihre Politik offensichtlich gescheitert. Tut sie es nicht, fordert sie die drohende Revolte in ihrer Partei endgültig heraus. Außerdem: Der Zulauf für die AfD und die von ihr abgespaltene ALFA-Partei würde noch weiter anschwellen.
So ist es kein Wunder, dass man auch andernorts die Kanzlerin bereits offen anzählt. Kein Geringerer als der ehemalige Chefredakteur von Bild und Ex-Kohl-Berater Hans-Hermann Tiedje schrieb in dieser Woche in der Neuen Zürcher Zeitung über die »Merkeldämmerung« folgende Sätze und gab damit zu verstehen, dass auf die Kanzlerin auch im Springer-Orbit keine Wetten mehr abgeschlossen werden:
»Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel müsste zugeben, dass sie in der Flüchtlingskrise einen Fehler gemacht hat. Es wäre ihr politisches Ende, aber dieses rückt auch so näher.«
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